Als Kinder sehen wir uns als Mittelpunkt der Welt. Wir glauben, für alles die Verantwortung zu tragen und an allem Schuld zu sein.
Im Erwachsenen-Leben werden Situationen immer noch auf die gleiche Weise interpretiert, wie wir sie als Kind gefühlt haben. Wir handeln also in Situationen oft nicht wie Erwachsene, sondern greifen unbewusst auf Interpretationen aus der Kindheit zurück.
Schauen wir uns ein Beispiel an.
Der Vater verläßt die Familie, als das Kind vier Jahre alt ist. Das ist ein großer Schmerz für das Kind. Da das Kind sich „automatisch“ schuldig fühlt, könnte die Interpretation dazu lauten:
„Papa hat mich verlassen“ oder „Papa ist wegen mir gegangen, es ist meine Schuld“ oder “ nach vier Jahren geht der Mann aus der Familie“.
Dann folgen weitere Gedanken und Interpretationen: „Es muss an mir liegen, ich habe irgendetwas falsch gemacht. Papa liebt mich nicht mehr. Ich bin überhaupt nicht liebenswert und er hat mir nur vorgemacht, dass er mich liebt. Ich bin überhaupt kein liebenswerter Mensch. Keiner kann mich lieben. Und wenn ich glaube, dass mich jemand liebt, dann weiss ich jetzt, dass er nur so tut und er wird mich spätestens nach vier Jahren verlassen. Man kann Männern/Frauen nicht vertrauen, wenn sie sagen, ich liebe dich. Ich werde niemals eine Beziehung haben, die länger als vier Jahre dauert. Und dann kommt ein/e andere/r Frau/Mann und nimmt mir den/die Mann/Frau weg. Ich kann auch keiner/m anderen Frau/Mann trauen …“
Wenn man die Schlußfolgerungen in dieser Fülle und Konsequenz sieht, erkennt man, wie willkürlich diese getroffen werden und keineswegs der Realität entsprechen (müssen).
Wenn wir auf das Ereignis schauen, haben wir vielleicht 5 % Wahrheit und 95 % Interpretation. Was tatsächlich geschehen ist, heisst: „Der Vater hat die Familie verlassen.“ Mehr nicht. Alles andere sind Interpretationen. Diese Interpretationen haben wir (im Unterbewußtsein) gespeichert und wenden sie immer wieder auf ähnliche Situationen an.
Was können wir tun? Wir können lernen wach zu sein, unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten und zu schauen, wie wir Ereignisse bewerten. Dazu müssen wir nicht unbedingt in die Kindheit zurückgehen, auch wenn das hilfreich sein kann. Es genügt, uns im JETZT zu beobachten. Was geschieht JETZT wirklich? Und was ist Interpretation?
Oft „inszenieren“ wir unbewußt Situationen, die an unsere Kindheitsinterpretationen erinnern sollen. Unsere Seele möchte die Lüge der Bewertungen aufdecken und heilen. Indem wir liebevoll und vielleicht auch erstaunt unsere Gedanken und Gefühle anschauen, können wir Ereignisse klarer wahrnehmen, annehmen, fühlen und dann aus unserem „wahrhaftigen ich“ handeln. Wichtig für Heilung ist, die aufsteigenden Gefühle urteilsfrei zu fühlen, zu erlauben, dass sie da sind, ohne darin zu versinken. Wenn wir uns trauen, uns ganz durch diese Gefühle zu fühlen, ist Heilung und Frieden möglich.
Gern begleite ich bei diesem Prozess.